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Juristische Stolpersteine bei sog. Verdachtskündigung

Wirksame Verdachtskündigung erfordert Anhörung des Arbeitnehmers und Einbindung des ggf. bestehenden Betriebsrats

Eine sog. Verdachtskündigung ist nur wirksam, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor zum Verdacht angehört hat. Wird die Kündigung eines Arbeitnehmers auf den Vorwurf gestützt, eine Pflichtverletzung begangen zu haben (Tatkündigung), ist die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers grundsätzlich keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Anders dagegen, wenn die Kündigung wegen des bloßen Verdachts einer Pflichtverletzung erfolgen soll (Verdachtskündigung): In diesem Fall ist die Kündigung nur wirksam, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor zum Verdacht angehört und ihm Gelegenheit gegeben hat, den Verdacht auszuräumen. Daher ist es von erheblicher praktischer Bedeutung, dass die Anhörung des Arbeitnehmers den formellen Anforderungen genügt.

Zulässigkeit einer Verdachtskündigung

Ein Beispiel aus der Praxis, das sich tatsächlich so zugetragen hat: Ein Arbeitnehmer, der wegen einer Handverletzung krankgeschrieben war, wurde auf dem Golfplatz gesehen, allerdings nicht konkret beim Golfspielen. Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine Kündigung wegen Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit aus. Der Gekündigte versuchte, sich im Kündigungsschutzprozess damit herauszureden, dass er mit dem Golflehrer lediglich „therapeutische Griffübungen“ durchgeführt habe.

Dieser Fall zeigt plakativ, wann eine Verdachtskündigung veranlasst sein kann: Da der Arbeitnehmer nicht unmittelbar beim Golfspielen ertappt wurde, konnte ihm nicht nachgewiesen werden, dass die Arbeitsunfähigkeit wegen einer Handverletzung vorgetäuscht war. Aufgrund der Sichtung auf dem Golfplatz bestand aber zumindest der Verdacht des „Krankfeierns“. In einem solchen Fall bietet es sich an, eine Kündigung nicht (lediglich) als Tatkündigung, sondern vorsorglich (auch) als Verdachtskündigung auszusprechen, um so gegen mögliche „kreative“ Einwände des Gekündigten im Kündigungsschutzprozess gewappnet zu sein.

Die Kündigung wird also gerade auf den Verdacht einer Pflichtverletzung gestützt. Allerdings muss der Verdacht objektiv durch Tatsachen begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen Arbeitgeber zum Ausspruch einer Kündigung veranlassen können. Bloße Verdächtigungen, die lediglich auf mehr oder weniger haltbaren Vermutungen basieren, reichen nicht aus. Zudem muss der Verdacht dringend sein, d.h. es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung begangen hat. Die Verfehlung, derer der Arbeitnehmer verdächtig ist, muss außerdem so schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Schließlich muss der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben. Hierzu gehört insbesondere die Anhörung des verdächtigten Arbeitnehmers.

Anforderungen an die Anhörung des Arbeitnehmers

Bei der Einladung zur Anhörung besteht weder ein Schriftformerfordernis noch eine Pflicht zur vorherigen Mitteilung des „Themenkreises“ oder der verdachtsbegründenden Tatsachen. Die eigentliche Anhörung muss nicht mündlich, sondern kann auch schriftlich durchgeführt werden. Inhaltlich muss sie zwar nicht den Anforderungen an eine Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG genügen, hat sich aber auf einen konkretisierten, greifbaren Sachverhalt zu beziehen. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht nur mit unsubstantiierten Wertungen konfrontieren, sondern muss alle erheblichen Umstände angeben, auf die er den Verdacht stützt.

Ist eine außerordentliche fristlose Kündigung beabsichtigt, bei welcher die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB) einzuhalten ist, muss die Anhörung innerhalb einer Regelfrist von einer Woche seit erster Kenntniserlangung von den Verdachtsmomenten erfolgen, weil ansonsten unter Umständen die Kündigungserklärungsfrist mangels zeitnaher Aufklärung nicht mehr gewahrt werden kann.

Der Arbeitnehmer ist allerdings nicht verpflichtet, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Unterbleibt die Anhörung aus Gründen, die der Arbeitgeber nicht zu vertreten hat, berührt dies die Wirksamkeit der Verdachtskündigung nicht. Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer erklärt, sich nicht zum Vorwurf äußern zu wollen.

Nicht zu vergessen ist der Betriebsrat: Soll die Kündigung als Verdachtskündigung ausgesprochen werden, muss dies dem Betriebsrat im Rahmen seiner Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG mitgeteilt werden. Mitzuteilen sind dem Betriebsrat insbesondere auch die Verdachtsmomente und wie sich der Arbeitnehmer hierzu im Rahmen seiner Anhörung eingelassen hat, damit sich der Betriebsrat ein Bild von der Stichhaltigkeit des Verdachts machen kann.

Fazit

Wenn eine Kündigung auf den Verdacht einer Pflichtverletzung gestützt werden soll, ist daher unbedingt darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer hierzu vorab ordnungsgemäß angehört und auch der Betriebsrat darüber informiert wird, dass die Kündigung als Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll.

(Quelle: KLIEMT.Arbeitsrecht, Newsletter vom 14. Juni 2024)